Donnerstag, 4. Juni 2015

Sicherheit

Mein Computer ist dank einer neuen Security Software sicherer geworden. Sicherer, also vergleichsweise sicher. Einigermaßen. Relativ. Von absoluter Sicherheit kann keine Rede sein, in der Informationstechnik so wenig wie sonst im Leben. Vollkommene Sicherheit kann höchstens vorgegaukelt werden, wenn man sich in Sicherheit wiegen soll oder will. Das bloße Sicherheitsgefühl erfüllt hier bereits den Zweck, ähnlich wie schon das bloße Freiheitsgefühl hinlänglich für die vollendete Tatsache der Freiheit spricht.

Das englische "secure" macht deutlicher, was es nach dem Wortsinn mit dem deutschen "sicher" auf sich hat. Beide Adjektive leiten sich etymologisch vom lateinischen "secura" her, also teils von "se" im Sinne von "sonder" und teils von "cura" im Sinne von "Sorge". Ein Gedicht der Annette von Droste-Hülshoff über die Weisen aus dem Morgenland enthält die Zeilen: "Sonder Sorge, sonder Acht, / Wie drei stille Monde ziehen / Um des Sonnensternes Glühen, / ziehn die Dreie durch die Nacht". Sicherheit bedeutet demnach Sorglosigkeit.

Allein mir fehlt der Glaube. Und so werde ich trotz der aktivierten Security Software um die Computersicherheit besorgt bleiben. Wie überhaupt. Da muss es nicht wundernehmen, wenn sich einem Phänomenologen – Martin Heidegger in "Sein und Zeit" – das ganze "Sein des Daseins" als Sorge enthüllt.

Die Sorge ist mit dem Kummer sinnverwandt. Und zwar auf die eigentümliche Art, dass beide einen Doppelsinn gemeinsam haben. Ebenso wenig, wie man lauter Sorgen haben muss, wenn man sorgfältig für vieles sorgt, muss es Kummer bereiten, sich um dieses oder jenes zu kümmern. Das Sichkümmern und -sorgen kann durchaus auch Freude machen, ist doch das Spektrum unserer Daseinsmöglichkeiten ein sperrangelweites.

Aus demselben Grund wäre Heidegger arg missverstanden, wollte man seine Wesensbestimmung des menschlichen Daseins auf den trüberen Wortsinn der Sorge einengen. Selbst einem Schlagwort wie Nationalsozialismus gewann er Wesenszüge ab, die weder Nazis noch Antifaschisten dabei im Sinn zu haben pflegen. Freilich bot der Jahrgangsgenosse Hitlers und vielleicht bedenklichste Denker des vielleicht bedenklichsten Jahrhunderts leicht Anlass zu mancher Anschwärzung. Bis heute; denn Jahrzehnte noch nach seinem Tod erscheinen schwerlich entlastbare "Überlegungen" und "Anmerkungen" dieses "Meisters aus Deutschland".