Mittwoch, 3. Juni 2015

Newtopia

"Was wollen wir erreichen?" Das fragen sich die Pioniere in "Newtopia", wo nach turbulenten Monaten Derk, ein Junge aus meiner rheinländischen Sippschaft, wie ein Fels in der Brandung wirkt, weil er die bunte und wogende Truppe vorbildlich zu moderieren versteht. – Und was will ich in meinem Newtopia – das ist mein Buch – erreichen? Dieser Artikel mag die Frage nur ein wenig ausweichend beantworten. Derks Vater, meinem Cousin, der nach meiner Meinung fragte, schrieb ich vor dem Start der Reality-TV-Show eine E-Mail, woraus ein Ausschnitt zitiert sei:

Alles gerät im Rampenlicht in ein schiefes Licht. Es gäbe freilich dieses Rampenlicht nicht, wenn es keinem menschlichen Bedürfnis entgegenkäme. Unsere Schau- und Zeigelust macht uns verführbar für entsprechende Angebote. Oft kommt es dann auf besondere Qualitätsmerkmale gar nicht mehr an. Das ist jetzt vielleicht der springende Punkt [...], so dass die Frage ins Zentrum rückt: Wie wichtig ist mir bei allem Erfolg, den ich mit purer Show einheimsen kann, die inhaltliche Qualität dessen, wofür ich mich und meinen Namen zur Verfügung stelle? Von Friedrich Schiller gibt es ziemlich genau zu dieser Frage die "Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen". Die sind in modernen Medienzeiten noch genauso aktuell wie in denen des alten Schauspiels, also des Theaters, wofür ja Schillers Kunst und Lebenskunst vor allem steht. [Hier] eine Kostprobe aus Schillers Schrift, und zwar in Form der Worte, mit denen der letzte der 27 Briefe endet:

"In dem ästhetischen Staate ist alles – auch das dienende Werkzeug ein freier Bürger, der mit dem edelsten gleiche Rechte hat, und der Verstand, der die duldende Masse unter seine Zwecke gewalttätig beugt, muss sie hier um ihre Beistimmung fragen. Hier also, in dem Reiche des ästhetischen Scheins, wird das Ideal der Gleichheit erfüllt, welches der Schwärmer so gern auch dem Wesen nach realisiert sehen möchte; und wenn es wahr ist, dass der schöne Ton in der Nähe des Thrones am frühesten und am vollkommensten reift, so müsste man auch hier die gütige Schickung erkennen, die den Menschen oft nur deswegen in der Wirklichkeit einzuschränken scheint, um ihn in eine idealische Welt zu treiben. / Existiert aber auch ein solcher Staat des schönen Scheins, und wo ist er zu finden? Dem Bedürfnis nach existiert er in jeder feingestimmten Seele; der Tat nach möchte man ihn wohl nur, wie die reine Kirche und die reine Republik, in einigen wenigen auserlesenen Zirkeln finden, wo nicht die geistlose Nachahmung fremder Sitten, sondern eigne schöne Natur das Betragen lenkt, wo der Mensch durch die verwickeltsten Verhältnisse mit kühner Einfalt und ruhiger Unschuld geht und weder nötig hat, fremde Freiheit zu kränken, um die seinige zu behaupten, noch seine Würde wegzuwerfen, um Anmut zu zeigen."