Freitag, 5. Juni 2015

Offenbarung

Die längste Zeit meines Lebens bin ich Mitglied einer Offenbarungsreligion gewesen. Nicht, dass ich einstmals die Mitgliedschaft beantragt hätte. Nicht, dass ich selber eine religiöse Offenbarung gehabt hätte. Aber ich habe fast mein ganzes Lohnarbeitsleben lang Mitgliedsbeitrag gezahlt. Eine Art Lottoeinsatz. Der Sechser in diesem Lotto wäre die Offenbarung gewesen. Inzwischen warte ich darauf, ohne mitzuspielen. Meine Gewinnchancen halte ich deshalb für nicht verschwindender gering als die der organisierten Gläubigen.

Habe ich denn nicht schon längst gewonnen, ganz unabhängig von einer Offenbarungsreligion? Von Offenbarungen wimmelt es doch nur so, seit ich auf der Welt bin. Nicht dass ich nur glaubte, was ich sehe. Ich glaube es gar nicht, ich sehe es einfach nur und wundere mich. Während das Wunder des Glaubens liebstes Kind sein mag, ist das Mich-wundern-können die treueste Frucht meines In-der-Welt-seins. Das ohne Weiteres Offenbare erscheint mir geheimnisumwobener und vieles davon wunderbarer als jeder Glaubensinhalt eines religiösen Bekenntnisses.

Also offenbare ich mich als Ex-Katholik und Nichtchrist.