Wir können daher nur auf den bloßen Verdacht hin auf die Menschlichkeit setzen. Ebenso, wie bisher auf den bloßen Verdacht hin ein religiöser Glaube für den wahren und ein Stand wissenschaftlichen Forschens für den maßgebenden gehalten wird. Am entschiedensten wohlmeinend finde ich den Verdacht, dass alles davon abhängt, ob Menschen menschlich oder unmenschlich sind. Und dass Menschlichkeit unter allen Umständen den Vorrang hat, so geboten es einem oft erscheinen mag, gerade auch im Namen der Menschlichkeit Unmenschliches zu tun.
In solchen Zweifelsfällen gibt es dann eben keine befriedigende Problemlösung, so dass kein Grund besteht, sich nach der gewählten zufrieden zurückzulehnen. Menschlichkeit ist weder immer ein einfacher noch tadelloser Weg. Von der Tragik des Lebens bleibt sie ebenso wenig verschont wie jede Alternative zu ihr. Sie ist lediglich nicht mehr und nicht weniger als eben die menschlichste Alternative und insofern frei sowohl von Bosheit als auch von Selbstgerechtigkeit. Weder religiöse Heilsversprechungen noch wissenschaftliche Machbarkeitsperspektiven setzen das unsichere, doch dadurch unverwechselbare Wesen des Menschseins außer Kraft. Sie nehmen es allenfalls weniger ernst, indem sie den Schwerpunkt transzendierend auf Gott oder abqualifizierend auf die Natur verlagern.
QUELLEN
- Lutherbibel (1984): Das Evangelium nach Johannes
- Friedrich Engels (1876): Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen
- Friedrich Schleiermacher (1799): Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern