Montag, 22. Juni 2015

Abwesenheit

Seiendes ist. Das Sein des Seienden west. Es west an oder ab, ist anwesend oder abwesend.

Das Wesen des Seins ist sein Währen. Während ist es die Zeit. Das An- und Abwesen des währenden Seins ist das Kommen und Gehen der Zeit. Weil die Zeit als das wesende Sein währt, kann Seiendes abwesen, wenn es vergeht, und gewesen sein, wenn es vergangen ist.

Das Abwesen ist kein Verwesen. Dieses ist als Vermodern weder Leben noch Sterben, sondern unlebendig und unsterblich. Das Verwesen ist keinerlei Wesen, weder Anwesen noch Abwesen. Wesentlich für die An- und Abwesenheit ist die Sterblichkeit. Ein unsterbliches Wesen ist ontologisch keines Aufhebens wert. Ontologisch lässt die Abwesenheit, besser gesagt: das Abwesen, die Unsterblichkeit alt aussehen.

Lange Zeit hieß es "Abwesen" statt "Abwesenheit". Zwischenzeitlich hat man vergessen, und man vergisst leicht immer noch, was im Fall einer Abwesenheit vorgeht. Abwesende werden als Entfernte vermisst statt als sich Entfernende gewahrt. Nur die erreichbare Ferne, nicht die sich entziehend fernbleibende kommt für Wesens- und Seinsvergessene in Betracht. Die erreichbare ist die hinfällige Ferne, die fernbleibende die wahre. In wahrer Ferne ist dank Sein und Zeit Abwesendes zu gewahren.

LITERATUR
  • Heidegger (1927): Sein und Zeit
  • Byung-Chul Han (2007): Abwesen