Freitag, 12. Juni 2015

Intermezzo

Ein unfreiwilliges Zwischenspiel. Frühnachmittags ziehe ich die Jalousie herunter, um mich für ein Stündchen zum Schlafen hinzulegen. Noch während des Eindösens lärmt die Türklingel. Ich denke zuerst an meine Wohnungsnachbarin, die mir vielleicht ein Stück Kuchen zum späteren Kaffee spendieren will. Doch auf mein Rufen durch die Wohnungstür hin kommt keine Antwort. Ich ziehe mich wieder an, weil ich zehn Minuten Bettruhe auch schon für besser als nichts halte. Da klingelt es nochmals, zuerst bei zwei anderen Parteien, dann erneut bei mir. Jetzt vermute ich die Zeugen Jehovas, die mir gestohlen bleiben können. Dieser Verdacht zerstreut sich aber, als ich etwas in die Briefkästen neben der Haustür werfen höre. Ob es tatsächlich ein Postbote ist? Die streiken doch in diesen Tagen! Ich gehe ins Treppenhaus und sehe in meinem Briefkasten nach: nichts. Vielleicht hätte ich für einen anderen eine Sendung annehmen sollen. Den DHL-Wagen sehe ich durch den geöffneten Hauseingang noch in der Nähe stehen.

Ich laufe in Pantoffeln hinzu. Der Bote hat bereits am Fahrersitz Platz genommen und den Zündschlüssel gedreht. Ich erkenne nur noch, dass es ein Schwarzer ist, der sich jedoch nicht mehr nach mir umsieht. Und ab geht die Post. Beim Zurückgehen dämmert mir's: ich habe mich ausgesperrt. Meine Wohnungstür steht weit offen, die Haustür ist zugeschlagen und außer dem, was ich am Leib trage, ist bloß der Briefkastenschlüssel bei der Hand. Von den Wohnungsnachbarn ist niemand zu Hause, was ja der Paketbote bereits ermittelt hat. Ich werfe im Hinterhof noch einen Blick auf die Fensterfassade und gehe davon aus, dass alle ausgeflogen sind. Die Wartezeit will ich zu einem Spaziergang nutzen, der in Pantoffeln etwas beschwerlicher ausfällt als gewohnt. Eine Dreiviertelstunde halte ich immerhin durch.

Mittlerweile ist die älteste, nämlich 90-jährige Hausgenossin ebenfalls von einem Spaziergang zurückgekehrt und kann mir öffnen. Wir haben Spaß miteinander, als ich ihr im Treppenhaus mich und mein kleines Malheur erkläre. Das ist aus dem frühen Frühsommernachmittag geworden, an dem ich ein Stündchen schlafen wollte.