Mittwoch, 1. Juli 2015

Mahnung

Es gibt ein veraltetes und ein heute noch gebräuchliches Meinen. Während das gebräuchliche als wähnendes Meinen verstanden wird, war mit dem veralteten ein liebendes Meinen gemeint. Das liebende Meinen war das Minnen, im ritterlichen Minnesang wurde verehrten Frauen liebevoll gedacht. Ein weiter gefasstes Gedenken im Sinne des alten Meinens ist das Mahnen.

Das Mahnen hat mit dem Minnen nur so viel zu tun, dass es um ein Gedenken geht. So dürfte ein Mahnschreiben heute kaum mit einem Liebesbrief zu verwechseln sein. Immerhin ist im Schuldrecht die erste Mahnung – als bloße Zahlungserinnerung – meist noch freundlich formuliert, ehe mit der zweiten die Grenze einer höflichen Ausdrucksweise erreicht zu sein pflegt. Das Mahnen nimmt die Form des Monierens an, insofern der Zahlungsverzug ausdrücklich bemängelt und ein gerichtliches Mahnverfahren angedroht wird. Hier könnte man auch sagen: Jetzt bekommt die Angelegenheit ein höheres Gewicht, so dass sie sich wie ein Mahnmal ausnimmt, gewissermaßen wie ein Monument.

Mahnmale sind Denkmäler, mehr oder weniger monumentale Gedenkstätten. Jederlei Mahnung ist ein irgendwie feierliches, offiziell werdendes Denken, das sich nicht mehr isoliert in einzelnen Köpfen abspielt, sondern an Schauplätzen. Und sei es bloß ein Denkzettel, dessen jemand als der mahnenden Mitteilung eines anderen ansichtig wird. Wo philosophisches Denken kommuniziert werden soll, ist vielleicht ein mentales Training erforderlich dergestalt, dass monierende und minnende Mahnungen sich die Waage halten.

LITERATUR
Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache